Lymphom

Das Lymphom ist der häufigste hämatopoetische Tumor und einer der häufigsten Tumoren generell von Hund und Katze. Hämatopoetische Tumoren sind Tumorerkrankungen der Blutzellen, die durch eine ungehemmte Vermehrung der blutbildenden Zellen entstehen. Das Lymphom geht dabei von jugendlichen oder reifzelligen lymphatischen Zellen aus, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Dabei stammen alle Tumorzellen von einer Mutterzelle ab, was die Mediziner als klonale Vermehrung bezeichnen.

Auslöser

Die zugrunde liegenden Auslöser sind leider kaum geklärt. Aktuell werden eine Störung des Immunsystems sowie chronische Entzündungen vermutet. Bei der Katze besteht ein Zusammenhang zwischen Virusinfektionen (Felines Leukämie-Virus (FeLV), Felines Immundefizienz-Virus (FIV)) und der Entstehung eines Lymphoms. Auch eine genetische Komponente wird vermutet, so sind z.B. Siam-Katzen überrepräsentiert. In der Regel sind mittelalte bis alte Tiere betroffen, jedoch tritt diese Tumorerkrankung auch bei Jungtieren auf.

Siam Katze Lymphom

Formen

Das Lymphom stellt einen Zusammenschluss zahlreicher Subtypen dar. Verschiedene Klassifizierungschemeta sind vorhanden, basierend auf den betroffenen Organen, dem Staging (inwieweit der Tumor schon gestreut hat), histologischen bzw. zytologischen Kriterien, dem Genotyp oder dem Immunophänotyp.

Hund

Die häufigste Form des Hundes ist das multizentrische blastische Lymphom der peripheren Lymphknoten (mit oder ohne Beteiligung von Milz und Leber). “Multizentrisch” bedeutet, dass befallene Organe nicht nur auf eine Körperregion begrenzt sind, “blastisch”, dass die jugendlichen und somit größeren lymphatischen Zellen betroffen sind. Dabei überwiegt der B-Zell-Immunophänotyp.

Katze

Im Gegensatz dazu ist die häufigste Form der Katze das alimentäre Lymphom des Magen-Darm-Trakts. Dabei überwiegt die kleinzellige Form, ausgehend von reifzelligen Lymphozyten, dicht gefolgt von der blastischen Form. Das kleinzellige Lymphom der Katze besteht in der Regel aus T-Lymphozyten, die blastische Form hat häufig den B-Zell-Immunophänotyp. Eine weitere bedeutende Lymphom-Form der Katze ist das mediastinale Lymphom ausgehend vom Thymus oder den Lymphknoten im Mittelfellraum des Brustkorbs. Diese Form tritt besonders bei den jüngeren, FeLV-positiven Katzen auf. Die Häufigkeit dieser Form ging dank der FeLV-Impfung in den letzten Jahren zurück.

Symptome

Hund

Hund Lymphom

Multizentrisches Lymphom der peripheren Lymphknoten

Bei dieser Form sind die meisten Patienten zu Beginn der Erkrankung bei gutem Allgemeinbefinden. Den meisten Besitzern fallen die plötzlich großen Lymphknoten am Hals, den Schultern oder Kniekehlen auf. Ansonsten können nicht spezifische klinische Symptome wie Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Lethargie vorhanden sein. In manchen Fällen, insbesondere beim selteneren T-Zell-Lymphom, führt der Tumor zu hohen Blutcalciumwerten, die wiederum vermehrten Durst und Harnabsatz auslösen können.

Weitere Formen

Je nach Lokalisation des Tumors können die Patienten weitere Symptome präsentieren, die sich nach den betroffenen Organsystemen richten:

  • Magen-Darm-Beschwerden bei der gastrointestinalen Form

  • Atembeschwerden bei der mediastinalen Form

  • Hautveränderungen mit oder ohne Juckreiz bei der Hautform (kutanes Lymphom)

  • Neurologische Beschwerden wie Anfälle oder Lähmungen bei Befall des Nervensystems (ZNS-Lymphom)

  • Bei Beteiligung des Knochenmarks kann die Bildung der normalen Blutzellen gestört sein. Durch deren Fehlen kommt es zu Blutarmut (blasse Schleimhäute), Störungen der Blutgerinnung (Neigung zu Einblutungen und spontanen Blutungen) sowie zu Störungen des Immunsystems bishin zur Blutvergiftung.

Katze

Katzen präsentieren sich häufiger mit Symptomen als Hunde. Die Symptome richten sich auch hier nach den betroffenen Organsystemen.

Erbrechen Katze

Alimentäre Form

Katzen leiden häufig an chronischem Durchfall und Erbrechen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Durch die Verdickung der Darmwände kann es auch zu einem Darmverschluss kommen, der sich in unstillbarem Erbrechen und Bauchschmerzen äußert.

Mediastinale Form

Bei dieser Form leiden Katzen oft unter Atemnot. Diese entsteht entweder durch den Druck des vergrößerten Thymus oder der Lymphknoten auf die umgebende Lunge oder durch einen Pleuralerguss (Flüssigkeitsansammlung um die Lunge) , der ebenfalls die Lungenbewegungen einschränkt.

Weitere Formen

  • Vermehrter Durst und Harnabsatz bei der Nierenform (renales Lymphom)

  • Chronischer Nasenausfluss, Nasenbluten, Niesen und ggf. Verformung des Gesichts bei der Nasenform (nasales Lymphom)

  • Husten, Würgen, veränderte Atemgeräusche bei Befall von Kehlkopf oder Luftröhre (laryngeales bzw. tracheales Lymphom)

  • Neurologische Beschwerden wie Anfälle oder Lähmungen bei Befall des Nervensystems (ZNS-Lymphom)

Diagnose

Onkologische Untersuchung Katze

Zur Diagnosestellung ist eine klinische Untersuchung, eine Blutuntersuchung (Blutbild, Serumchemie inkl. Bestimmung des ionisierten Calciums), bildgebende Verfahren und die Untersuchung einer Gewebeprobe sinnvoll.

Klinische Untersuchung

Bei der klinischen Untersuchung sollten alle peripher zugänglichen Lymphkoten untersucht werden. Desweiteren kann Ihr Tierarzt bei der Beurteilung der Schleimhäute Hinweise auf Veränderung der Blutzellen (Blässe, Einblutungen) und auf Organversagen (z.B. Gelbsucht oder Geschwüre) finden. Beim Abtasten kann er Organvergrößerungen entdecken. Beim Abhören können gedämpfte Herztöne auf mediastinale Massen oder Pleuralerguss hinweisen.

Blutuntersuchung

Blutbild

Häufige Veränderungen im Blutbild stellen eine reduzierte Anzahl von roten Blutkörperchen (Anämie) dar. Bei Befall des Knochenmarks kann es zudem zu einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und weißen Blutkörperchen (Leukopenie) kommen. Bei Knochenmarksbeteiligung sind in manchen Fällen auch veränderte Lymphozyten, also Tumorzellen, im Blutausstrich unter dem Mikroskop sichtbar.

Serumchemie

Überwiegend bei T-Zell-Lymphomen, löst der Tumor einen erhöhten Blutcalciumspiegel (Hypercalcämie) aus. Da die Hypercalcämie alleine zu Schwäche, langsamer Herzfrequenz und zuletzt zu Nierenschäden führen kann, ist es wichtig, auch das ionisierte Calcium zu bestimmen. Diese biologisch aktive und somit relevante Unterform des Blutcalciums ist instabil und sollte idealerweise sofort bestimmt werden, wie wir es mit unserem inhouse-Blutgasgerät können. Bei B-Zell-Lymphomen kann es zu einer Erhöhung bestimmter Bluteiweiße (monoklonale Hyperglobulinämie) kommen, die wiederum zur Verdickung des Blutes und letztendlich zu Anfällen und Schwäche führen kann.
Veränderungen von Nieren- und Leberwerten deuten auf eine Beteiligung dieser Organe hin.

Bildgebung

Zur Abklärung anderer Organbeteiligungen sollten auch bildgebende Verfahren angewendet werden. Dies ist auch wichtig, um das Ausmaß der Tumorerkrankung (sogenanntes Staging) zu erkennen. Anhand des Staging kann man Ihnen eine genauere Prognose nennen. Standardmäßig sollten ein Bauchultraschall und eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbs vorgenommen werden. Je nach klinischem Verdacht können auch andere Verfahren sinnvoll sein (z.B. MRT/Kernspintomographie bei neurologischen Symptomen).

Gewebeprobe

Zytologie Tumor

Eine definitive Diagnose kann nur mittels Untersuchung einer Gewebeprobe oder der Ergussflüssigkeit gestellt werden. Die mikroskopische Untersuchung eines Feinnadelaspirats oder der Ergussflüssigkeit stellte eine minimalinvasive Methode dar, die wir in unserer Praxis vor Ort durchführen und mit deren Hilfe insbesondere das blastische Lymphom gut zu diagnostizieren ist. Die Diagnose eines kleinzelligen Lymphom ist so jedoch nicht immer sicher möglich. Zur Bestätigung des blastischen Lymphoms, aber insbesondere zur Diagnosestellung des kleinzelligen Lymphoms und zur Subtypisierung (und somit zur Prognosestellung) sind weitere Verfahren nötig: Diese wären die Histopathologie eines Bioptats, eine
Immunhistologie, die Flowzytometrie oder Klonalitätsanalyse (PARR). Die letzten beiden Untersuchungen können auch an minimalinvasiv gewonnenen Proben wie Feinnadelaspirat oder Ergussflüssigkeit durchgeführt werden und dienen einerseits zur Feststellung des Phänotyps, andererseits zur Bestätigung der klonalen Vermehrung.

Prognose

Die Prognose ist insbesondere von der Lymphomform abhängig. Unbehandelt überleben Hunde und Katzen, die an einem blastischen Lymphom leiden, durchschnittlich vier bis sechs Wochen. Die kleinzellige Form hat eine deutlich bessere Prognose.

Hund

Desweiteren sind folgende prognostische Faktoren beim Hund beschrieben.

Positiv prognostisch

  • Geringere Tumorausbreitung

  • Weibliches Geschlecht

  • Kleinzellige Form

  • Abfall der neutrophilen Granulozyten, einer Unterform der weißen Blutkörperchen, während der Chemotherapie

Negativ prognostisch

  • fortgeschrittene Tumorausbreitung

  • klinische Symptome

  • Blastische Form

  • T-Zell-Phänotyp

  • Prednisolongabe vorab der Chemotherapie

  • Lymphknotenvergrößerung im Mittelfellraum des Brustkorbs

  • Befall eines der folgenden Organsysteme: Knochenmark, Haut, Magen-Darm-Trakt, Leber+Milz

Katze

Bei der Katze sind folgende prognostische Faktoren beschrieben.

Positiv prognostisch

  • Kleinzelliges Lymphom

  • Vollständiger Rückgang des Tumors unter Chemotherapie (komplette Remission)

Negativ prognostisch

  • Infektion mit FeLV oder FIV

  • Prednisolongabe vorab der Chemotherapie

Therapie

In der Regel stellt das Lymphom eine systemische Erkrankung dar und benötigt einen systemischen Therapieansatz (bei extranodalen Formen wie der nasalen oder der trachealen Form kann eine strahlentherapeutische oder chirurgische Therapie indiziert sein). Auch unterscheiden sich die Therapieformen je nachdem, ob es sich um die blastische oder die kleinzellige Form handelt.

Hund

Therapie der Wahl: Chemotherapie

Chemotherapie von Hund und Katze

Das multizentrische blastische Lymphom, die häufigste Lymphomform des Hundes, spricht in der Regel gut auf eine Chemotherapie an. Das Standardprotokoll besteht aus wöchentlichen Kurzinfusionen über 12 Wochen mit wechselnden Chemotherapeutika. Behandlungsziel ist einerseits ein komplettes Zurückdrängen des Tumors (komplette Remission): Die ist je nach Therapieprotokoll bei 76%-90% möglich. Ein weiteres Ziel ist, diese Remission bei guter Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Wie gesagt, sterben die meisten Hunde ohne Behandlung innerhalb von vier bis sechs Wochen nach Diagnosestellung. Mit einer Chemotherapie lässt sich beim multizentrischen B-Zell- Lymphom eine durchschnittliche Überlebenszeit von ca. 15 Monaten erreichen, bei ca. 25 % der Fälle sind mehrjährige Remissionen und in Einzelfällen sogar eine Heilung möglich. Bei den aggressiveren T-Zell-Lymphomen beträgt die mittlere Überlebenszeit mit Chemotherapie sieben bis neun Monate.

Alternative Therapie: Prednisolon

Auch wenn unsere Haustiere Chemotherapien in der Regel sehr gut vertragen, kommt für manche Besitzer keine Chemotherapie in Frage (z.B. Schwangere oder kleine Kinder im selben Haushalt). In diesem Fall kann Prednisolon verabreicht werden. Die alleinige Gabe von Prednisolon führt beim multizentrischen blastischen Lymphom bei 17-43% zu einer kurzfristigen Besserung. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei ein bis drei Monaten.

Ausblick in die Zukunft

In der Humanmedizin ist eine multimodale Therapie aus Chemotherapie und Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern Therapie der Wahl. Sowohl für das B-Zell- als auch das T-Zell-Lymphom laufen hierzu randomisierte Multicenterstudien, anhand deren Ergebnissen die Wirksamkeit der Antikörper bei Hunden bestimmt werden soll. Es ist zu hoffen, dass sie sich als ähnlich wirksam wie beim Menschen herausstellen werden.

Katze

Therapie der Wahl: Chemotherapie

Die häufigste Lymphomform der Katze, das kleinzellige alimentäre Lymphom, spricht sehr gut auf eine dauerhafte Chemotherapie in Tablettenform an. Dabei wird ein Chemotherapeutikum alle zwei Wochen und Prednisolon alle zwei Tage oral verabreicht. Ihre Katze kommt dennoch nicht ganz um den Tierarztbesuch herum, da vor Therapiebeginn und im Anschuss alle vier Wochen die Blutwerte kontrolliert werden sollten. Auf diese Weise kann eine Überlebenszeit von zwei bis drei Jahren erreicht werden.

Bei der blastischen Form sprechen Katzen leider nicht im selben Ausmaß auf eine Chemotherapie an wie beim kleinzelligen Lymphom oder wie der Hund. Auch hier ist ein Protokoll aus Kurzinfusionen Therapie der Wahl (im ersten Monat wöchentlich, dann alle drei Wochen, Gesamtdauer 6 Monate). Bei 50 bis 80 % der Katzen kann dadurch der Tumor vollständig zurückgedrängt werden. Die mittlere Überlebenszeit beträgt sechs bis acht Monate. In 30 bis 40 % der Fälle, deren Tumor komplett zurückgedrängt werden konnte, kann jedoch eine längere Überlebenszeit als beim Hund erreicht werden (bis zu zwei Jahre). Auf diesen Fall hoffen die Katzenbesitzer und wir Tierärzte, wenn wir eine Chemotherapie beim blastischen Lymphom der Katze durchführen. Leider stellt sich das Ansprechen der Therapie, welches die Überlebensprognose deutlich verbessert, erst unter Therapie heraus, sodass im Vorhinein keine Aussage getroffen werden kann, ob Ihre Katze zu den Glücklichen zählt.

Alternative Therapie: Prednisolon

Wie auch beim Hund stellt bei der Katze die Gabe von Prednisolon eine Alternative dar, sollte eine Chemotherapie nicht in Frage kommen.

Fazit

Sollte Ihr Haustier passende Symptome aufweisen oder gar schon die Diagnose “Lymphom” erhalten haben, ist noch nicht alles verloren. Sowohl beim Hund als auch bei der Katze stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir Ihnen und Ihrem Vierbeiner weitere unbeschwerte gemeinsame Momente bei unbeeinträchtigter Lebensqualität verschaffen können. Sollten Sie Interesse an einer onkologischen Abklärung oder eine onkologische Beratung inkl. einen auf Ihr Tier und Ihre Lebenssituation abgestimmten Therapieplan haben, würden wir uns sehr freuen, Sie in unserer Praxis begrüßen zu dürfen.

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