Otitis externa
Kopfschütteln, Kopfschiefhaltung oder Aufjaulen beim Ohrenberühren- wer kennt das nicht?
Eine Entzündung des äußeren Ohres, auch Otitis externa genannt kommt, bei Hunden und Katzen verhältnismäßig häufig vor. Die Therapie ist bei manchen Patienten eine Herausforderung, weil es nicht nur einen Auslöser gibt.
Das äußere Ohr besteht aus Ohrmuschel (Pinna) und äußerem Gehörgang und dient der Leitung von Schall zum Trommelfell. Der äußere Gehörgang beginnt mit einem senkrechten Teil, der in den waagerechten Gehörgang übergeht und am Trommelfell endet. Hinter dem Trommelfell beginnt das Mittelohr, bestehend aus Paukenhöhle, Gehörknöchelchen, Ohrtrompete und dem ovalen Fenster.
In der Haut der Ohrmuschel und des Gehörganges finden sich verschiedene Drüsen, die zusammen mit abgestorbenen Hautzellen den Ohrenschmalz (Cerumen) bilden. Am Eingang zum Gehörgang und im oberen Bereich des äußeren Gehörganges finden sich auch Haarfollikel. Normalerweise wandert der Ohrenschmalz im Gehörgang nach außen und trägt so zum Schutz und zur Reinigung des Gehörganges bei.
Bei einer Otitis externa kommt es zu einer Entzündung der Hautzellen des äußeren Gehörganges und manchmal auch der Ohrmuschel. Es kommt zu einer Schwellung der Haut und dem Einwandern von Entzündungszellen mit nachfolgender Einengung des Gehörganges. Die Schweißdrüsen des Ohres produzieren mehr Sekret, und der Fettgehalt des Ohrenschmalzes nimmt ab. Durch die Änderung des Mikroklimas, wird die Haut empfindlicher gegenüber Verletzungen und Krankheitserregern.
Ursachen
Die Ursachen für eine Otitis sind vielfältig, man unterscheidet zwischen prädisponierenden Faktoren, primären Ursachen und perpetuierenden Faktoren. Nur wenn diese Faktoren bekannt sind und beseitigt werden, ist eine Otitistherapie auf Dauer erfolgreich.
Prädisponierende Faktoren
sind Umstände, die das Risiko an einer Otitis externa zu erkranken erhöhen. Nur gemeinsam mit Primärursachen oder perpetuierenden Faktoren können sie eine Otitis externa hervorrufen. Sie bewirken eine Veränderung des normalen Mikroklimas im Gehörgang. Die vorhandenen Hefepilze und Bakterien vermehren sich dann stärker und krankmachende, pathogene Bakterien können sich ansiedeln. Zu diesen prädisponierenden Faktoren zählen anatomische Besonderheiten wie schmale, enge (stenotische) Gehörgänge (z. B. beim Shar Pei, Mops, Französische Bulldogge), schwere Hängeohren (z. B. bei Cocker Spaniel und Basset) und starkes Haarwachstum in den Gehörgängen (z. B. bei Pudel). Durch diese Begebenheiten ist die normale Belüftung des äußeren Gehörganges reduziert. Außerdem zeigen einige Rassen eine vermehrte Drüsensekretion im Ohrbereich, wie z. B. Cocker Spaniel (Talgdrüsen) und Labrador (Schweißdrüsen). Auch vermehrte Feuchtigkeit im Ohr, bei Hunden die gerne schwimmen und tauchen (Labrador und Golden Retriever) oder durch übertriebene Ohrpflege, führt zu einer Veränderung des Mikroklimas.
Primärursachen
sind Faktoren, die den Entzündungsprozess im Gehörgang alleine auslösen können. Dazu zählen v.a. dermatologische Erkrankungen, die auch im Ohr eine Bedeutung haben.
Hypersensitivitätsreaktionen
Allergien in Form von Umwelt- oder Futtermittelallergien machen beim Hund den größten Anteil der durch Primärursachen ausgelösten Otitiden aus. Hier sind meist beide Ohren betroffen. Die Tiere zeigen Juckreiz (auch) an den Ohren. Am Anfang der Erkrankung ist oft nur die Ohrmuschel betroffen. Im weiteren Verlauf setzt sich die Erkrankung in die äußeren Bereiche des Gehörganges fort. Auch Kontaktallergien auf Ohrreiniger sind möglich und sollten in Betracht gezogen werden.
Parasiten
Bei Jungtieren (v. a. bei Katzen) sind Ohrmilben (Otodectes cynotis) die häufigste Ursache einer Otitis externa. Typischerweise findet man bei einer Milbenotitis schwarz-braun und krümeligen Ohrenschmalz. Auch Demodexmilben (Demodex canis bzw. D. cati) können eine Otitis externa parasitaria auslösen. Sarkoptes-Räude, Sarcoptes scabiei var. canis beim Hund und Notoedres cati bei der Katze, führt zunächst zu Veränderungen an der Ohrmuschel, die aber im weiteren Verlauf auch den Gehörgang betreffen können.
Fremdkörper
Typischweise zeigen betroffene Tiere ein akutes Auftreten der Symptome und eine deutliche Schmerzhaftigkeit, sowie eine plötzliche Kopfschiefhaltung. Die Darstellung des Fremdkörpers im Gehörgang kann bei wachen Patienten auf Grund der Schmerzhaftigkeit schwierig sein. Als Fremdkörper kommen verschiedene Dinge in Frage. Häufig findet man Getreidegrannen, Tannennadeln, Schmutz, Haare und Sand. Wird ein Fremdkörper nicht frühzeitig entfernt, kann es zu einer Verletzung des Trommelfells mit nachfolgender Mittelohrentzündung kommen.
Keratinisierungsstörungen
Die primäre Seborrhoe des Cocker Spaniels, Sebadenitis und verschiedene hormonelle Erkrankungen (Schilddrüsenunterfunktion, Sertolizell-Tumoren, Morbus Cushing) sind Ursachen einer ceruminösen Otitis externa. Das Ohrensekret sieht aus wie Eiter, kann aber unter dem Mikroskop unterschieden werden.
Autoimmunerkrankungen
Diverse Autoimmunerkrankungen wie Pemphigus foliaceus, P. vulgaris, bullöses Pemphigoid oder Lupus erythematosus betreffen vor allem die Ohrmuscheln, können aber auf den Gehörgang übergehen und somit eine Otitis externa auslösen.
Viruserkrankungen
Eine Pockenvirusinfektion der Katze und eine Staupevirusinfektion beim Hundes können zu Dermatitis im Ohrbereich mit nachfolgender Otitis führen.
Zubildungen
Tumoren und Polypen im Bereich des äußeren Gehörganes führen zu dessen Einengung und behindern die Belüftung.
Perpetuierende (aufrechterhaltende) Faktoren
Perpetuierende Faktoren behindern den Heilungsprozess. Sie sind die Folge chronischer Entzündungsprozesse, die zu pathologischen Veränderungen der Haut im Gehörgang führen. Sie entstehen auf Grund des Zusammenspiels einer oder mehrerer prädisponierender Faktoren und primären Ursachen.
Manche Autoren zählen Bakterien und Malassezien zu den sogenannten sekundären Ursachen. Andere ordnen sie den perpetuierenden Faktoren zu. Sie erhalten und verschlimmern eine bestehende Entzündung, so dass es zur Schwellung des Gewebes und damit zur Lumenverengung kommt. Das vorherrschende Mikroklima begünstigt wiederum das Wachstum von Bakterien und Hefepilzen (Circulus vitiosus).
Perpetuierende Faktoren sind fortschreitende pathologische Vorgänge wie z. B. Hyperplasie und Hyperkeratose der Epidermis, chronisches Granulationsgewebe, Verknöcherung des Gehörganges, Ödem und Fibrose der Dermis sowie Hyperplasie und Dilatation der Talgdrüsen. In Folge dieser Veränderungen verengt sich der Gehörgang. Normalerweise gewährleistet die epitheliale Zellmigration die kontinuierliche Beseitigung von Ohrenschmalz, Talg, abgestorbenen Zellen und Keimen aus dem Gehörgang. Kommt dieser Vorgang durch Entzündungen oder Stenosen zum Stillstand oder kehrt sich gar um, führt dies zur Aufrechterhaltung der Otitis externa.
Eine Mittelohrentzündung (Otitis media) stellt eine permanente Infektionsquelle für das äußere Ohr dar. Sie kann sowohl Ursache als auch Folge einer Otitis externa sein. Auch Veränderungen am Trommelfell gehören zu den perpetuierenden Faktoren.
Diagnostik
Bei jedem Otitis externa Patienten sollte neben einem ausführlichen Vorbericht, eine klinische Untersuchung erfolgen sowie eine Untersuchung des Ohres (Otoskopie). Insbesondere bei Patienten mit wiederkehrenden Ohrenentzündungen ist in manchen Fällen eine Sedation sinnvoll, da die Untersuchung eines entzündeten Ohres schmerzhaft ist. Neben der Beurteilung des Trommelfells (falls einsehbar) können Fremdkörper und Umfangsvermehrungen ausgeschlossen werden. In jedem Fall wird bei uns eine zytologische Untersuchung des Ohrenschmalzes durchgeführt, da je nach Erreger (z.B. Malassezien, Streptokokken, Pseudomonaden) ein anderes Medikament verabreicht werden muss.
Therapie
Mindestens genauso wichtig wie die akute Behandlung der Otitis mit lokalen Medikamenten (Antibiotika, Antimykotika, entzündungshemmenden Medikamente) und Schmerzmitteln, ist die Therapie der Grundursache, falls möglich.
In Fällen, bei denen sich viel Ohrenschmalz im Gehörgang befindet ist eine Ohrspülung notwendig, da die eingegebenen Medikamente nicht durch die Fettschicht des Ohrenschmalzes dringen können und so immer Bakterien und Hefen im Ohr verbleiben. Da die Otitis im Allgemeinen und insbesondere die Manipulation der Ohren, z.B. bei der Ohrspülung, sehr schmerzhaft ist, sollte eine ausführliche Ohrspülung in Sedation durchgeführt werden. In unserer Praxis wird die Ohrspülung mit einem Präzisions-Saug-Spül-System (VETPUMP® 2 von Karl Storz) im Rahmen einer Videoendoskopie durchgeführt. Dadurch ist eine sichere und präzise Säuberung unter Sichtkontrolle möglich, sodass eine weitere Reizung oder gar Verletzung des Ohres vermieden werden kann.